Grund und Boden: Fundamente einer Landschaft
Ein interdisziplinäres Landschaftspleinair im Oderbruch, Gabow 09. bis 15. Juli 2011

Text: Lars Fischer

Grund und Boden sind die Fundamente jeder Landschaft. Sie ermöglichen das Leben im Naturraum und geben die Spielräume für seine Nutzung vor. Auf Boden wird gebaut und angebaut, er ist Eigentum, Spekulationsobjekt und Gegenstand harter Auseinandersetzungen über seine Bewirtschaftung. Eine Vielzahl an kulturellen Perspektiven ist deshalb auf den Boden gerichtet.
Viele Ökologen gehen davon aus, dass die weltweite Vernichtung fruchtbarer Böden eine der größten Gefahren der Zukunft darstellt. Gleichwohl wird der Boden im politischen Diskurs seit Jahrzehnten nur wenig beachtet. Das liegt vor allem daran, dass die interessanten Dinge an diesem Thema so schlecht wahrzunehmen sind: Weder die Humusschicht noch die verschiedenen Erden, Sande, Tone und das Bodenleben im Untergrund oder die an die einzelnen Flächen geknüpften Vorstellungen, Geschichten, Perspektiven und Interessen der Eigentümer und Nutzer sind für die menschlichen Sinne leicht zu erkennen.

Mit dem Pleinair waren zwei Ziele verbunden. An erster Stelle galt es praktisch zu erproben, ob und wie eine Zusammenarbeit von Künstlern, Natur- und Geisteswissenschaftlern sowie Planern an einem gleichen Landschaftsausschnitt, im direkten Miteinander möglich ist. Was haben sich die unterschiedliche Wahrnehmungs- und Arbeitsweisen zu sagen, können sich das unterschiedliche Wissen, die angewandten Methoden und die eingenommenen Perspektiven auf den Gegenstand ergänzen, einander erhellen, neue Einsichten eröffnen? Hier nahm das Pleinair einen Faden auf, der ein gutes dreiviertel Jahr zuvor auf einer Tagung der deutschen Sektion der Internationalen Gesellschaft für Landschaftsökologie (IALE-D) in Nürtingen zu spinnen begonnen wurde. Damals konnte ein möglicher Beitrag der Künste für eine geschärfte, auf nachhaltige Landschaftsgestaltung ausgerichtete, Position beziehende Landschaftsforschung nur theoretisch in Vorträgen und im Rahmenprogramm über das Kunst-Honig-Projekt von Christiane Wartenberg (IALE abstracts 2010) und Robert Lenz (Landschaft im Honig) angerissen werden (siehe www.kulturlandschaft.iale.de Archiv für Kunst und Landschaft). Im Hörsaal in Nürtigen wurde verabredet, einen praktischen Versuch in einer konkreten Landschaft folgen zu lassen.

An zweiter Stelle sollte die für Landschaftsentwicklung wichtige Frage der Flächenverfügbarkeit und Bodenpolitik in einer öffentlichen Veranstaltung zur Sprache gebracht werden. Dieser Problematik nahm sich ein Randthema „Grund und Boden“ im Theater in Zollbrücke begleitend zum Pleinair an. Wie überall auf dem Land ist auch im Oderbruch der Boden das wichtigste Produktionsmittel. Die Verfügbarkeit an landwirtschaftlich nutzbaren Böden ist ein begrenzender Faktor. Für eine zukunftsoffene, auf die Nutzung möglichst vieler natur-und kulturräumlicher Potenziale setzende Landschaftsentwicklung macht es einen großen Unterschied, ob es wenige große Landwirtschaftsbetriebe gibt, die nur noch wenige Kulturpflanzen für einen Weltmarkt oder die Energiewirtschaft anbauen, oder viele kleinere mit unterschiedlichen Zielen, Produkten und Vermarktungsstrategien. Vor dem Hintergrund des Verkaufs von staatseigenen landwirtschaftlichen Flächen nach Höchstgebot und des Einstiegs von kapitalkräftigen, immer öfter landwirtschaftsferner Investoren wird die Etablierung von auch ökologisch angeratenen differenzierten Landnutzungen eine immer drängendere politischen Frage. Leider blieb die Diskussion in der wenig produktiven Frage stecken, ob bei der Privatisierung der sozialistischen Landwirtschaft in den 90er Jahren des letzten Jahrhunderts die Rechtsnachfolger der alten LPG-Strukturen in punkto Flächenerwerb zum Nachteil von Wiedereinrichtern und Alteigentümern sowie der Einkommensmöglichkeiten im ländlichen Raum bevorteilt worden seien. Welche Alternativen böten sich, förderte eine neu ausgerichtete Bodenpolitik über den Verkauf von bundes- und landeseigenen Flächen die Ausdifferenzierung nachhaltiger landwirtschaftliche Produktion und Kooperation? Interessante Aussagen hierzu gab es, wurden jedoch in der Diskussion nicht aufgenommen.

Für die Arbeiten im Landschaftsraum hatte die Agrogenossenschaft Schiffmühle e.G. vier Flächen zur Auswahl gestellt. Nach einer gemeinsamen Begehung am Abend des ersten Tages fiel die Wahl auf den gut vier Hektar großen Grasacker an der Stillen Oder, der sich zum Bruch hin öffnet und dem Charakter des Oderbruchs in den Augen der meisten Teilnehmer am besten entsprach.